Stresskurve: Das psychologische Framework für optimale Performance
Um das Thema Leistungsfähigkeit bzw. Performance genauer zu verstehen, möchte ich euch die Stresskurve von den Psychologen Robert Yerkes und John Dodson vorstellen. Auch bekannt unter dem Namen der Druckleistungskurve. Folglich werden die Begriffe Stress, Druck und Aktivierung als Synonym verwendet.
Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten die zwei Psychologen, dass Ratten durch milde Elektroschocks motiviert werden konnten, ein Labyrinth zu durchlaufen. Wurden die Elektroschocks jedoch zu stark, liefen die Ratten in eine beliebige Richtung, um zu entkommen.
Die Kurve zeigt eine Normalverteilung, die das Verhältnis zwischen Druck und Leistung darstellt. Bis zu einem gewissen Druck steigt die Performance und flacht dann zunehmend ab.
Jeder von uns braucht also ein gewisses Maß an Aktivierung und Deaktivierung.
Lasst uns zu Beginn einen Blick auf die jeweiligen Zonen werfen, um die Beziehung zwischen Druck und Leistung sowie deren Auswirkungen auf unsere Gesundheit genauer zu verstehen. Im Nachgang schauen wir uns die Dinge an, die du tun kannst, um deine Performance nachhaltig zu verbessern.
Boreout: Niedrige Leistung aufgrund fehlender Aktivierung
Angefangen in der ersten Zone mit niedrigem Druck und niedriger Leistung, dem Boreout. In Bezug auf Arbeitsbelastung das genaue Gegenteil eines Burnouts, jedoch mit gleicher ernüchternder Performance.
Ein Boreout kann auftreten, wenn jemand ohne jegliche Motivation ist und keinen Grund hat, etwas zu tun. Ursache hierfür ist die fehlende Aktivierung durch eine sinnvolle Herausforderung.
Jeder von uns braucht ein Mindestmaß an Druck, um sich zu motivieren. Wenn eine Aufgabe zu einfach ist, oder es keine Ziele, Fristen oder Erwartungen gibt, die erfüllt werden müssen, dann ist die Leistung in der Regel schlecht. Wir schaffen selten viel, wenn wir kein Ziel haben. Entweder setzt uns jemand Ziele, oder wir setzen sie uns selbst.
Der Mensch braucht einen Sinn im Leben, genau wie jedes andere Tier. Hast du schon einmal einen gelangweilten Löwen gesehen, der in einem Zoo auf und ab geht?
Seit Hunderttausenden von Jahren beruht das Überleben des Menschen auf dem Jagen und Sammeln von Nahrung, der Suche nach einem Unterschlupf, einer Partnerin und der Gründung einer Familie. Dieser starke Sinn für Ziele ist fest in unseren Genen verankert.
Repetitive bzw. sinnlose Arbeit sind häufige Gründe eines Boreouts.
Die Boreout-Zone ist in der Stresskurve nicht ohne Grund rot dargestellt. Es ist nicht gut, zu lange in diesem Bereich zu verweilen. Langfristige Unterforderung kann sehr anstrengend sein und wirkt sich negativ auf unser mentales Wohlbefinden aus.
Komfortzone: Gute Leistung aufgrund moderatem Druck
Kommen wir zur Komfortzone. Dort herrscht moderater Druck. Dieser reicht aus, um dich zu motivieren, Dinge zu erledigen und dich dabei gleichzeitig wohlzufühlen.
Wichtig ist zu erwähnen, dass ein moderates Level an Druck, absolut subjektiv ist und nicht anhand von Arbeitsstunden oder gelösten Problemen quantifiziert werden kann.
Wenn Person A beispielsweise seit 10 Jahren in der Beratungsbranche tätig ist, wird das Drucklevel ein kurzfristiges Kundenangebot zu erstellen, für diese Person nicht so hoch sein, wie für Person B, die gerade als Analyst im Unternehmen begonnen hat.
Neben Erfahrung, Fähigkeiten und weiteren Persönlichkeitsmerkmalen spielen andere Belastungen des Lebens eine maßgebliche Rolle. Druck ist somit kumulativ und hält sich nicht an die Grenzen zwischen Arbeit und anderen Lebensbereichen.
Wenn der Haussegen schief hängt, wirkt sich das mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf deine Belastbarkeit im Job aus.
Grundsätzlich führt die Komfortzone zu einem guten Leistungsniveau, allerdings erfordert optimale Performance immer wieder einen Stretch.
Stretchzone: Chance auf Höchstleistung und Wachstum
Neben gesteigerter Performance gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund, warum es empfehlenswert ist, die Komfortzone zu verlassen und der heißt Wachstum. Anders ausgedrückt: No Pain, No Gain.
Wenn du deine Komfortzone verlässt und dich in der Stretch Zone verausgabst, besteht die Möglichkeit von Flow. Dies bezeichnet einen mentalen Zustand, der völligen Vertiefung und des restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit. Wichtig: Die Aufgabe ist herausfordernd genug, aber nicht unmöglich.
Innerhalb dieses Bereichs setzt die Stressreaktion des Körpers, die Hormone Adrenalin und Cortisol frei, die uns zu Höchstleistungen verhelfen. Wir denken klarer, sehen schärfer und hören besser. Die Fight-or-Flight Reaktion steigert unsere Fähigkeit, mit kurzfristigem Stress umzugehen.
Für eine nachhaltige hohe Performance sollten wir uns zwischen der Komfort- und der Stretch Zone bewegen.
Was wir allerdings vermeiden sollten, ist uns die ganze Zeit zu verausgaben. Das wäre anstrengend. Die eigene Selbstregulierung ist somit der Schlüssel zum Erfolg.
Belastungszone: Die Leistung nimmt ab
Gelingt uns die eigene Selbstregulierung nicht, laufen wir Gefahr, in die Strain oder Belastungszone abzurutschen. Wenn der Druck für zu lange Zeit zu hoch ist, sinkt die Leistung. Eine Zeit lang übersteigt sie vielleicht die Performance der Komfortzone, aber schon bald nehmen die Auswirkungen des Stresses überhand. Erschöpfung setzt ein und es passieren Fehler.
Stresssymptome beginnen sich zu entwickeln. Frustration, Angst, Konzentrationsschwäche und Scham darüber, der Belastung nicht gewachsen zu sein, machen sich breit.
Burnout: Erschöpfung durch chronischen Stress
Wenn trotz dieser Anzeichen mit hohem und konstantem Druck weitergearbeitet wird, besteht die Gefahr eines Burnouts. Wir erleben Erschöpfung durch chronischen Stress. Unser Körper zieht uns wortwörtlich den Stecker, indem er auf unsere Überlebensmechanismen zurückgreift, da er glaubt, sich in physischer Gefahr zu befinden.
Spätestens jetzt übernimmt die Fight-or-Flight Reaktion komplett die Kontrolle. Unser Nervensystem ist von der konstanten Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol überfordert und es ist unmöglich, sich auf komplexe Aufgaben zu konzentrieren, oder gute Entscheidungen zu treffen. Was wir brauchen, ist sofortige Ruhe und dies holt sich der Körper auch, durch sein Abschalten.
Kurzfristig mögen die Symptome keinen dauerhaften Schaden anrichten. Langfristiger Stress kann jedoch einen schrecklichen Tribut fordern. Magen-Darm-Erkrankungen, Herzkrankheiten und psychische Probleme sind keine seltenen Folgen.
Verblendungszone: Du verlierst die Kontrolle
Vielleicht fragst du dich, warum würde man es überhaupt so weit kommen lassen? Und das ist ein fairer Punkt, welcher uns zu der Zone of Delusion, oder auch Verblendungszone führt.
In diesem Bereich glauben wir fälschlicherweise, dass wir nach wie vor leistungsfähig sind, wenn wir uns weiter anstrengen. Anstatt besser zu werden, nimmt unsere Leistung jedoch bei erhöhten Druck konstant ab. Wir verlieren den Fokus, betreiben hektisches Multitasking und können nicht mehr klar denken.
Wir sind uns darüber natürlich nicht bewusst, weshalb die Zone of Delusion sehr gefährlich sein kann.
Wie du deine Performance nachhaltig verbesserst
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Aktivierung durch Druck die Performance bis zu einem gewissen Maße steigert.
- Ist der Druck zu gering, besteht die Gefahr eines Boreouts
- Ist er für zu lange Zeit zu hoch, die Gefahr eine Burnouts
- Nicht der Druck an sich ist problematisch, sondern seine Dauerhaftigkeit.
- Druck ist außerdem subjektiv, sprich von Person zu Person individuell und kumuliert sich aus allen Lebensbereichen.
- Die Zone of Delusion hält uns an dem Irrglauben fest, dass wir nach wie vor leistungsfähig sind.
- Nachhaltige Peak Performance pendelt zwischen Komfort und Stretch Zone. Es ist ein Tanz zwischen der richtigen Aktivierung und Deaktivierung.
Die seit Jahren steigenden Zahlen mentaler Erkrankungen bestätigen, dass es weniger an dem fehlenden Druck, als an der notwendigen Entspannung liegt.
Sich über das Aktivierungslevel bewusst zu werden und nötige Entspannungsphasen einzuplanen, steigert nicht nur nachhaltig die Performance, sondern schützt auch vor körperlichen und mentalen Folgen.
Um es vielleicht noch etwas konkreter zu machen. Was glaubst du, würde mit der Performance eines Profisportlers passieren, der sich jeden Tag verausgabt? Der jeden Tag bis an seine Leistungsgrenze geht, in der Hoffnung langfristig besser zu werden.
Das Ziel der Stresskurve ist es, dein Bewusstsein für dich und dein Team zu schärfen.
- Ausruhen ist keine Zeitverschwendung, sondern eine Investition in Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.
- Entspannen ist kein Zeichen von Faulheit, sondern eine Quelle der Energie.
- Pausen sind keine Ablenkung, sondern eine Gelegenheit, sich neu zu fokussieren.
- Spaß ist keine sinnlose Aktivität, sondern ein Weg zu Verbindung und Kreativität
Meine Reflexionsfragen an dich:
- Wo stehst du gerade auf der Druckleistungskurve?
- Wo dein Team?
- Wie verläuft diese Entwicklung über die nächsten Tage, Wochen und Monate?
- Welche Ereignisse bewegen dich auf der Kurve nach links oder nach rechts?
- Brauchst du eine neue sinnvolle Herausforderung, oder doch etwas mehr Entspannung?
- Und welche Maßnahmen fallen dir ein, um dich täglich selbst besser zu regulieren?